
Wir sind eine Sozietät von zwei Rechtsanwälten mit Büros in Siegburg und Kerpen.
Telefon
Siegburg: 02241 / 33 20 00
Kerpen: 02273 / 33 33
Bedingte Verfügung: Wenn das Testament nur für den gemeinsamen Todesfall gilt
Die Auslegung von Testamenten spielt in der Rechtspraxis eine bedeutende Rolle. Was hat der Erblasser mit der Formulierung gewollt? Das Oberlandesgericht München (OLG) musste genau das herausfinden, nachdem eine Frau, die in einem Testament nur "für den Fall, dass mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passiert", als Alleinerbin eingesetzt wurde, nun das Erbe einforderte.
Die Erblasserin war ledig, kinderlos und hatte nur einen Bruder. Im Jahr 2007 schrieb sie eigenhändig ein Testament mit der genannten Formulierung und unterschrieb es. Nach ihrem Tod 2019 war das Original zunächst nicht auffindbar, nur eine Kopie lag vor. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Kopie echt war und das Testament wirksam errichtet wurde. In dem Testament hatte die Erblasserin folgende Formulierung gewählt: "Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren (...)".
Das OLG sah darin jedoch keine allgemeine Erbeinsetzung, sondern eine Bedingung: Die Begünstigte sollte nur dann Erbin werden, wenn die Erblasserin und ihr Bruder gemeinsam oder gleichzeitig auf Reisen sterben würden. Da die Erblasserin Jahre später eines natürlichen Todes starb und ihr Bruder sie überlebte, griff diese Bedingung nicht. Somit trat die gesetzliche Erbfolge ein und der Bruder wurde Alleinerbe. Das Gericht stellte klar, dass derartige Formulierungen im Testament sorgfältig ausgelegt werden müssen. Nicht jeder Hinweis auf einen bestimmten Anlass - etwa eine Reise oder eine Operation - bedeute automatisch, dass die Regelung nur für diesen Fall gelten solle. Im konkreten Fall sprachen jedoch die Wortwahl und der familiäre Hintergrund eindeutig für eine bedingte Verfügung.
Hinweis: Wer ein Testament schreibt, sollte klar unterscheiden, ob eine Erbeinsetzung für alle Fälle gelten soll oder nur für eine bestimmte Situation - etwa bei einem Unfall oder während einer Reise. Unklare Formulierungen können sonst dazu führen, dass das Testament wirkungslos bleibt und die gesetzliche Erbfolge greift.
| zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 12/2025)